Kürzlich sprach ich mit jemandem, dessen Verzweiflung mir sehr vertraut vorkam. „Es fühlt sich an, als würde ich nur noch arbeiten. Egal wie viel ich schaffe, ich komme einfach nicht voran.“ Ihr Kalender war bis zum Rand gefüllt mit Terminen, Meetings und Aufgaben, so dass kaum noch Platz für anderes blieb. Vielleicht kennen Sie dieses Gefühl der endlosen Pflichten auch.
Sie beschrieb das, was ich bei so vielen Menschen sehe: To-do-Listen, die einfach nicht kürzer werden, egal wie fleißig man ist. Und in den Momenten, die eigentlich frei sein sollten, kreisten ihre Gedanken bereits um die nächste Aufgabe. Sobald eine unerwartete Bitte auftauchte, sei es ein spontanes Gespräch oder eine kleine Aufgabe, stieg ihr Stresspegel sofort.
Während sie sprach, erinnerte ich mich an den Zeigarnik-Effekt – ein psychologisches Phänomen, das beschreibt, wie unser Gehirn an unerledigten Aufgaben festhält. Diese offenen „Schleifen“ drängen sich ständig in den Vordergrund, was erklärt, warum es so schwer ist, abzuschalten. Selbst wenn meine Klientin mit ihrer Familie Zeit verbrachte, schlich sich die Arbeit immer wieder in ihre Gedanken. Es war, als hätte sie nie wirklich eine Pause.
Es wurde schnell klar, dass es nicht um weniger, sondern um eine bessere Struktur ging. Ich stellte ihr das Konzept des „Timeboxing“ vor – eine Methode, die auf den ersten Blick nach noch mehr Kontrolle klingt, aber tatsächlich hilft, den Alltag zu strukturieren und die Kontrolle zurückzugewinnen.
Der Gedanke, Zeit für alles bewusst einzuteilen, stieß zunächst auf Skepsis. „Noch mehr Planung? Ich habe doch jetzt schon keine Zeit!“, sagte sie. Doch als ich erklärte, dass genau das der Schlüssel sei, um den Kreislauf der Überforderung zu durchbrechen, wurde sie neugierig. Durch das Setzen von klaren Zeitblöcken für jede Aufgabe – und ebenso für Pausen und Freizeit – erhält der Tag Struktur. Und das Schöne daran: Wenn die Zeit für eine Aufgabe vorbei ist, ist sie vorbei. Das hilft dem Gehirn, diese offenen Schleifen zu schließen und sich auf die nächste Aufgabe zu konzentrieren.
Timeboxing mag wie noch mehr Kontrolle erscheinen, aber in Wirklichkeit schafft es Raum für das, was wirklich zählt: spontane Aktivitäten, Erholung und Zeit für sich selbst. Es ist ein Ansatz, den schon Charles Darwin schätzte. Darwin plante seine Tage streng, um Raum für spontane Entdeckungen in der Natur zu schaffen. Morgens konzentrierte er sich auf seine wissenschaftliche Arbeit, aber nach diesen Phasen nutzte er bewusst Zeit für Spaziergänge und Beobachtungen. Diese „freien“ Zeiten führten oft zu den größten Durchbrüchen seiner Forschung. Darwins Fähigkeit, seinen Tag zu strukturieren, verschaffte ihm nicht nur Effizienz, sondern auch die Freiheit, kreativ und spontan zu sein.
Nach ein paar Wochen stellte sich bei der Person eine spürbare Veränderung ein. Sie arbeitete fokussierter und konnte in den festgelegten freien Zeiten endlich wirklich abschalten. Die ständige Last der unerledigten Aufgaben ließ nach, und sie hatte das Gefühl, wieder wirklich präsent zu sein – für sich selbst und für die Menschen, die ihr wichtig waren.
Der Zeigarnik-Effekt ist letztlich kein Feind, sondern ein Warnsignal. Wenn wir uns überfordert fühlen, liegt das oft daran, dass wir nicht wissen, wann genug ist. Timeboxing gibt uns die Möglichkeit, diese endlosen Gedankenschleifen zu schließen und wieder Raum für die Dinge zu schaffen, die wirklich zählen.
Also, wenn Sie das nächste Mal das Gefühl haben, nur noch zu arbeiten und für nichts anderes Zeit zu haben, planen Sie bewusst. Nicht, um sich noch mehr zu kontrollieren, sondern um sich die Freiheit zurückzuholen. Timeboxing gibt Ihnen die Freiheit zurück, die durch den ständigen Kampf gegen Ablenkungen verloren geht. Und es gibt Ihnen die Möglichkeit, die spontanen Momente des Lebens in vollen Zügen zu genießen – ohne das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen.