Manchmal sind es nicht die lauten, offensichtlichen Fehler, die uns zu Fall bringen. Es sind die leisen. Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein wichtiges Projekt. Alles läuft nach Plan, die Zahlen stimmen, Ihr Team stimmt Ihnen zu. Sie fühlen sich gut, weil alles in die Richtung geht, die Sie sich vorgenommen haben. Aber genau in diesem Moment könnten Sie in eine der größten mentalen Fallen tappen: den Bestätigungsfehler.
Der Bestätigungsfehler ist eine subtile, aber mächtige Denkfalle, die uns dazu bringt, Informationen zu bevorzugen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. Widersprüchliche Fakten? Die blenden wir aus. Und das Problem? Wir merken es nicht einmal.
Wir alle tun das. Der Bestätigungsfehler ist wie eine unsichtbare Hand, die uns unbemerkt in die falsche Richtung führt. Wenn wir überzeugt sind, dass wir die richtige Lösung gefunden haben, fällt es uns schwer, neue, widersprüchliche Informationen wirklich zu sehen – geschweige denn, sie zu akzeptieren.
Interessanterweise sind wir gerade dann besonders anfällig für den Bestätigungsfehler, wenn es um Entscheidungen geht, die unser Selbstbild oder unsere Autorität betreffen. Es ist wie eine Art innerer Schutzmechanismus, der uns vor dem unangenehmen Gefühl bewahrt, falsch zu liegen. In der Psychologie nennt man das kognitive Dissonanz – wenn zwei widersprüchliche Gedanken oder Überzeugungen aufeinandertreffen, sorgt unser Gehirn dafür, dass wir den Konflikt schnell auflösen. Und meistens tun wir das, indem wir einfach das ignorieren, was uns herausfordern könnte.
Eine Studie an Führungskräften zeigte, dass Menschen, die eine hohe Position innehaben, besonders anfällig für den Bestätigungsfehler sind. Warum? Weil mit Verantwortung auch ein Gefühl von Gewissheit einhergeht. Je mehr wir uns auf unsere Erfahrungen verlassen, desto schwieriger wird es, neue Ideen oder Widerspruch zuzulassen. Die Ironie dabei ist, dass gerade jene, die für ihre Expertise geschätzt werden, oft am stärksten von dieser kognitiven Verzerrung betroffen sind.
Ich erinnere mich an ein Projekt, bei dem wir in einem Design-Thinking-Workshop intensiv an einem Prototypen gearbeitet haben. Mein Team und ich waren überzeugt, dass wir den perfekten Ansatz gefunden hatten. Die Nutzerfeedbacks, die wir bis dahin erhalten hatten, schienen unseren Ansatz zu bestätigen. Alles deutete darauf hin, dass unser Prototyp das Problem lösen würde. Doch da war ein kleines, widersprüchliches Feedback, das nicht ins Bild passte. Es war leicht, dieses eine Detail als Ausnahme abzutun, schließlich schien der Rest des Feedbacks positiv.
Natürlich kam es später zu einem Problem. Nachdem wir den Prototypen in einer weiteren Testphase geprüft hatten, stellte sich heraus, dass genau dieses Detail, das wir ignoriert hatten, ein wesentlicher Punkt war, den wir hätten angehen müssen. Hätten wir uns früher damit auseinandergesetzt und das unangenehme Feedback als Chance zur Verbesserung betrachtet, wäre uns viel Zeit und Aufwand erspart geblieben. Es war eine schmerzhafte, aber wertvolle Lektion über die Fallstricke des Bestätigungsfehlers.
Der Bestätigungsfehler kann uns sogar dazu bringen, widersprüchliche Informationen noch stärker zu ignorieren, wenn sie uns besonders herausfordern. Dieses Phänomen, das als Backfire-Effekt bekannt ist, zeigt, dass unser Gehirn manchmal auf Widerspruch mit einer Art Abwehrreaktion reagiert. Anstatt unsere Meinung zu ändern, klammern wir uns noch fester an unsere Überzeugungen. Es ist paradox – aber allzu menschlich.
Und hier wird es besonders gefährlich: Gerade in Teams, in denen alle ähnliche Meinungen teilen, wirkt der Bestätigungsfehler wie ein unsichtbarer Filter, der dafür sorgt, dass wir Risiken und Chancen übersehen. Vielleicht kennen Sie diese Situation: Niemand will widersprechen, weil es einfacher ist, der Mehrheit zuzustimmen. Aber das Problem ist, dass wir dadurch in einer Blase der Selbstbestätigung gefangen bleiben.
Wie können wir also verhindern, in diese Falle zu tappen? Es beginnt mit einer einfachen, aber herausfordernden Frage: Bin ich wirklich offen für Widerspruch? Es erfordert Demut, zu akzeptieren, dass wir nicht immer recht haben. Doch genau das macht gute Entscheidungen aus. Fordern Sie deswegen gezielt andere auf, Ihre Annahmen zu hinterfragen. Laden Sie abweichende Meinungen ein.
Eine Frage, die ich mir selbst oft stelle, wenn ich sicher bin, die Antwort zu kennen, lautet: Was wäre, wenn ich mich irre? Dieser Moment der Reflexion schafft Raum für neue Perspektiven und verhindert, dass ich in die Bestätigungsfalle tappe. Statt nach Zustimmung zu suchen, suche ich nach dem Unbequemen. Denn genau darin liegt die Chance für wahres Wachstum.
Letztendlich ist der Bestätigungsfehler nicht nur ein intellektueller Stolperstein – er trifft uns tief in unserem Ego. Es erfordert Mut, die emotionale Bindung zu unseren Entscheidungen zu lösen. Doch in dem Moment, in dem wir es wagen, uns selbst infrage zu stellen, öffnen wir die Tür zu neuen Möglichkeiten.
Das nächste Mal, wenn Sie sich absolut sicher sind, halten Sie kurz inne. Fragen Sie sich: Bestätige ich nur, was ich ohnehin schon glaube? Oder bin ich bereit, das Unbequeme zu sehen? Vielleicht liegt genau dort die Antwort, die Sie suchen.
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