Das Problem mit Zoom

Spätestens seit der Pandemie finden die meisten Meetings und Besprechungen online statt. Aber nicht nur das: In meiner Arbeit als Kundenforscherin greifen viele Unternehmen auf das Online-Medium zurück, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten. Da ich meinen Schwerpunkt auf menschliche Interaktion lege, bin ich sehr unglücklich damit. Es geht einfach die Magie verloren, wenn Menschen nicht im selben Raum sind. Sie stottern, reden durcheinander und heben die echten Hände, weil die virtuellen Hände nicht bemerkt werden. Die übliche Begrüßung in einem Online-Meeting startet nach wie vor mit „Ich glaube, das Mikrofon ist noch auf stumm geschaltet“ und die Ungewissheit, ob das Gegenüber eine Hose trägt oder nicht, irritiert mich immer noch.

Keine Frage, zu einer Zeit, in der die meisten Menschen nur von Zuhause aus arbeiten konnten, retteten Online-Meetings die Wirtschaft vor einem viel schlimmeren Zusammenbruch. Auch als die Welt sich langsam wieder geöffnet hat, haben diese Technologien die Produktivität gesteigert und unnötige Flugreisen bzw. Termine auf ein Minimum reduziert. Ich selbst habe ein Buch über die Kunst der Online-Moderation geschrieben, um Menschen dabei zu unterstützen, sich in der virtuellen Welt zurecht zu finden und trotz allem empathisch zu kommunizieren und ihre Kreativität anzuzapfen.

Allerdings haben diese Technologien gerade im Hinblick auf die Qualität der Gespräche, der Interaktion und der eigenen Lebensqualität einfach ihren Preis. Und der ist gar nicht so gering. Denn Online-Meetings retten uns zwar vor langen Flugreisen oder Viren, aber die mentalen Kosten wie Burnout oder Depression stehen auf der anderen Seite der Rechnung.

Es gibt sogar einen eigenen Begriff, der die Symptome wie Erschöpfung und Kopfschmerzen, die mit stundenlangen virtuellen Meetings einhergehen, zusammenfasst: Zoom Fatigue bzw. Zoom-Müdigkeit. Zoom-Müdigkeit hat Studien nach sechs verschiedene Ursachen: Durch 1. die Verzögerung der Übertragung in der Kommunikation (vor allem, wenn die Verbindung nicht gut ist); 2. der fehlenden Körpersprache und 3. oftmals fehlendem Augenkontakt; 4. dem Versuch vermehrt zu multitasken (Sie checken Ihre E-Mails und die Nachrichten, während Sie versuchen, dem Meeting Aufmerksamkeit zu schenken); 5. die stärkere kognitive Belastung und 6. die Interaktion mit mehreren Gesichtern (Sie konzentrieren sich auf viele Menschen, die alle gleichzeitig in einem kleinen Sichtfeld sind, was verwirrend und unnatürlich ist) fühlen wir uns schnell müde und ausgelaugt.

Natürlich sind virtuelle Interaktionen viel besser als gar keine sozialen Interaktionen. Die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass manche Menschen viel stärker unter Zoom-Müdigkeit leiden als andere. Die zu häufige Nutzung von Video-Meetings führen nachweislich bei vielen zu Erschöpfung, Depressionen, Angstzuständen, Stress und Unzufriedenheit.

Virtuelle Interaktion ist vor allem bei der Arbeit im kreativen Bereich ein Problem. Sie unterdrückt Studien nach die Kreativität und mindert die gesamte kognitive Leistung. So stellten Forscher, die mehr als 100 Mitarbeitende während einer Online-Konferenz überwachten, fest, dass Arbeitnehmer, wenn sie ihre Kamera verwendeten (im Gegensatz zu denen, die die Kamera ausgeschaltet hatten), bei Besprechungen an diesem und an den folgenden Tagen weniger engagiert waren. Eine Schlussfolgerung dieser Studie war, dass wir uns mehr isolieren und die Netzwerke statischer werden, wenn der spontane Austausch vor Ort fehlt.

Die Forschung über Online-Meetings steckt noch in den Kinderschuhen, da vor der Pandemie die Verbreitung einfach nicht so hoch war. Nach und nach gibt es aber neue Erkenntnisse, wie dem Wissen, dass Online-Meetings auf viele verschiedene Arten die Gehirnaktivität beeinflussen. Unter anderem werden bei einer Online-Videokonferenz die Spiegelneuronen mehr oder minder stummgeschaltet. Diese brauchen wir aber, um andere zu verstehen und uns in sie hineinzuversetzen.

Wie bei den meisten Dingen bedeutet das richtige Maß an virtueller Interaktion nicht Null. Aber viele von uns verbringen einfach nach wie vor zu viel Zeit in Online-Meetings und Videokonferenzen. Mein Tipp lautet, virtuelle Interaktionen mehr oder weniger wie Junkfood zu betrachten: Im Notfall ist es in Ordnung, aber wir sollten uns nicht dauerhaft davon ernähren, weil es unserer Gesundheit schadet.

Dementsprechend nutzen Sie die Technologien so umsichtig wie möglich und halten Sie virtuelle Besprechungen und Gespräche kurz. Nutzen Sie ein gutes Mikrofon, schalten Sie die Kamera nur ein, wenn nötig, und vereinbaren Sie vor Besprechungen einen Endzeitpunkt (idealerweise nach 30 Minuten oder weniger). Achten Sie auch auf die schleichenden Auswirkungen der Zoom-Müdigkeit, wie Burnout und Depression, und stellen Sie sicher, dass Sie regelmäßige Pausen von der Technologie einlegen, wie Zoom-freie Tage.

Was mich an videobasierten Technologien am meisten stört, ist, dass sie den realsten Teil des Lebens – die menschliche Interaktion – irgendwie als eine Art Fälschung, einen zu kleinen Ausschnitt, erscheinen lassen. Die Bilder auf dem Bildschirm sind keine anderen Menschen, sondern digitale Symbole. Ich möchte aber, dass mein Leben real ist: Mein zeitlicher Körper soll echt sein und meine Seele etwas, das zutiefst authentisch ist. Der Mensch ist mehr als ein zweidimensionales, verpixeltes Bild, zusammengesetzt aus einer Reihe von Einsen und Nullen im Cyberspace.