Durch die Krise wurden von offizieller Seite bestimmte Richtlinien zur sozialen Distanzierung eingeführt. Durch deren Einhaltung soll die Verbreitung der Pandemie eingedämmt werden. Seit letzter Woche gelten in Österreich weitere Lockerungen, von denen auch meine Innovationsräume bzw. meine gesamte Arbeit als Unternehmensberaterin betroffen sind. Dadurch konnte ich selbst miterleben, wie Menschen mit diesen Einschränkungen umgehen: So halten sich einige Personen penibel daran, während andere wiederum sich so verhalten wie sie es gewohnt waren. Es gibt aber auch Menschen, die scheinbar eine regelrechte Abneigung gegen diese Bestimmungen aufgebaut haben.
Nun werden die meisten Handlungen von Emotionen angetrieben, nicht vom rationalen Denken. Angst macht uns starr. Das führt dazu, dass wir oft nur schlecht Entscheidungen treffen bzw. Probleme lösen. Fakten zu akzeptieren oder sachliche Informationen zu verarbeiten ist dann fast ein Ding der Unmöglichkeit. Noch dazu verfügen wir alle über ein verschieden großes Spektrum, aus dem wir auswählen, um mit Unsicherheiten umzugehen. Manch einer entwickelt Rituale, die er/sie dann genauestens befolgt. Andere versuchen durch bestimmte Handlungen die Kontrolle im Außen zu gewinnen.
Drei mögliche Gründe für ablehnendes Verhalten
Der innere S.O.S.-Ruf
Wenn wir uns unsicher fühlen oder sehr viel Stress erleben, geht bei jedem irgendwann das Gefühl der Sicherheit verloren. Wir suchen dann nach neuen Möglichkeiten, um das Gefühl der Kontrolle wiederzubekommen und uns so von der Angst abzulenken. Wenn nun Menschen Anweisungen wie die Abstandsregeln einfach ignorieren oder sogar offen ablehnen, ist das oft ein verzweifelter Versuch, irgendwie Kontrolle wiederzuerlangen.
Die Sache mit der Reaktanz
Kontrolle zurückzubekommen ist aber nur ein möglicher Grund für ein ablehnendes Verhalten. Ein anderer ist in der Reaktanz der Menschen zu finden. Das Konzept der Reaktanz geht davon aus, dass Menschen - ausgelöst durch psychischen Druck wie Drohungen oder einer (gefühlten) Einschränkung des persönlichen Freiheitsspielraums - das dringende Gefühl verspüren (und dem oft auch nachgehen), sich Aufforderungen zu widersetzen. Wenn Sie mir beispielsweise sagen würden, wie ich mich Ihrer Meinung nach zu verhalten habe, wird sich ein Teil von mir gezwungen fühlen, genau das Gegenteil dessen zu tun.
In vielen Fällen ist Reaktanz eine Eigenart menschlichen Verhaltens, die die Mitmenschen amüsiert, frustriert oder auch nervt. Im Moment jedoch kann sich Reaktanz im schlimmsten Fall tödlich auswirken. Unser Wunsch, bewusst gegen Anweisungen zu handeln, treibt uns zu Verhaltensweisen, die für uns und für andere schädlich sind.
Überall wimmelt es von Experten
Die vielen vermeintlichen Experten, die sich zurzeit auch vermehrt vor allem in den sozialen Medien herumtreiben, fördern ebenfalls ein nicht hilfreiches Verhalten. Es entsteht eine Abneigung gegen echtes Fachwissen, weil es in all dieser kursierenden Informationsflut auch so schwer zu erkennen ist. Es gibt viel zu viel falsches Wissen und Fehlinformationen, sodass wir förmlich dazu getrieben werden, niemanden mehr zu glauben und nur den Ratschlägen zu folgen, die für uns am einfachsten nachzuvollziehen sind. Noch dazu, da sich die momentane Krise grundlegend von allen anderen unterscheidet, die wir bis dahin erlebt haben.
Was können Sie in dieser Situation gezielt tun?
Es ist an der Zeit, den wirklichen Experten zuzuhören und deren Rat zu folgen. Schließlich sind sie der Grund, warum die Welt in der Vergangenheit Ausbrüche wie Ebola überstanden hat. Wenn Sie Informationen finden, die neue Thesen aufstellen, überprüfen Sie zunächst die Quelle und sehen Sie sich die Biographie des vermeintlichen Wissensträger genau an. Diese Dinge geben Ihnen erste gute Hinweise, inwiefern dem neuen Wissen zu trauen ist oder ob sich nicht doch ein zweiter, kritischer Blick lohnt.
Vergessen Sie vor allem nicht: Wenn Menschen ängstlich oder in Panik sind, ist das Gehirn im Offline-Modus. Der erste Schritt besteht darin, wieder online zu gehen, um Informationen überhaupt verarbeiten zu können. Stellen Sie sicher, dass Sie aus den richtigen Gründen die richtigen Dinge tun. Hinterfragen Sie immer zuerst Ihr eigenes Verhalten, bevor Sie andere maßregeln. Basiert Ihre eigene Reaktion auf Logik oder auf Reaktanz?
Wenn Sie andere dazu bringen wollen, Vorschläge oder Regeln einzuhalten, dann müssen Sie sie immer dort abholen, wo sie sich gerade befinden. Das schaffen Sie, indem Sie deren Gefühle und zugrundeliegende Motivationen versuchen zu verstehen. Wenn Sie nachvollziehen können oder begreifen, warum jemand eine bestimmte Handlung vornimmt, dann können Sie selbst ruhiger agieren und zum Beispiel die Fakten so verpacken, dass andere sie annehmen und ihren persönlichen Vorteil erkennen können. Helfen Sie Menschen, indem Sie sie ermutigen, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben in unseren Innovationsräumen z.B. überall Erinnerungen angebracht, die auf kreative Weise und mit einem Zwinkern auffordern, die Regeln einzuhalten. Meine Beratungskunden begrüße ich beispielsweise mit dem Fußgruß. Um Richtlinien einzuhalten, braucht es Normen, deren Einhaltung sich für die Menschen persönlich lohnt und die als sozial anerkannt und cool gelten.
Befreien Sie sich vor allem aber selbst von der Idee, dass Sie in dieser Situation die volle Entscheidungsfreiheit oder irgendeine Art der Kontrolle betreffend des Virus haben. Das Virus ist kein soziales Wesen, das wir irgendwie beeinflussen könnten. Das Verhalten von Menschen zu verstehen, die gegen unser eigenes Denken agieren, ist eine knifflige Sache. Die Dinge haben sich nun mal geändert. Selbst wenn alles wieder scheinbar normal abläuft, so ist es dennoch eine andere Form der Normalität und nicht die, die wir einst kannten.
Es gibt viel Neues zu bewältigen. Dazu gehört auch, wie die Menschen um Sie herum reagieren werden.