Warum Gewinner und Verlierer die gleichen Ziele haben

Mein Mann und ich sind gerade dabei unsere Ziele neu zu definieren. Die letzten Tage waren voller Diskussionen, wohin unsere Reise – beruflich und privat – gehen soll. Wir diskutieren aber nicht, weil unsere Vorstellungen unterschiedlicher Natur wären, im Gegenteil. Die Sache ist vielmehr, dass ich ein generelles Problem mit Zielen habe.

In meinem Betriebswirtschaftsstudium lernte ich in diversen Fächern über SMARTe Ziele: Mach deine Ziele stets spezifisch, messbar, erreichbar (achievable), relevant und terminiert. Das wäre der beste Weg, um das zu erreichen, was du im Leben willst – so der gängige Ratschlag. Aber wenn ich mein Leben rückblickend betrachte, erkenne ich, dass kaum eines meiner Ergebnisse, die ich im Leben bisher erreicht habe und auf die ich stolz bin, etwas mit einem konkreten Ziel, das ich mir vorher gesetzt habe, zu tun hat. Das, was mich letztlich glücklich gemacht hat, war, dass ich intuitiv meinem Herz gefolgt bin, immer wieder die Richtung geändert und Spaß beim Lernen und Tun hatte.

Das Leben sollte keine Geschichte über den Triumph von Schwierigkeiten sein. Denn es unterliegt einer Million Zufälligkeiten und ständigem Wandel. Das bedeutet nicht, dass wir keine Pläne machen oder Ziele haben sollten. Aber es bedeutet, dass wir auf alle Veränderungen in der Welt und in uns selbst achten müssen, die unseren Plan oder das Ziel plötzlich obsolet oder unattraktiv machen.

Zielsetzung leidet generell unter einem schwerwiegenden Fall von survivorship bias. Wenn wir Erfolgsgeschichten hören, konzentrieren wir uns auf die Menschen, die am Ende gewonnen haben – die Überlebenden – und gehen fälschlicherweise davon aus, dass ehrgeizige Ziele zu ihrem Erfolg geführt haben. Wir vergessen dabei aber auf alle anderen, die das gleiche Ziel, aber keinen Erfolg hatten.

Jeder Kandidat möchte den einen Job bekommen. Jeder Sportler, jede Sportlerin möchte die Goldmedaille gewinnen. Aber wenn erfolgreiche und erfolglose Menschen dieselben Ziele verfolgen, kann das Ziel nicht das sein, was die Gewinner von den Verlierern unterscheidet. Es war nicht das Ziel, den Grand Slam zu gewinnen, das Spieler wie Novak Djokovic an die Spitze des Tennissports brachte. Jeder Tennisspieler will den Titel holen. Das Ziel war also schon immer da. Aber Djokovic baute sich ein System kontinuierlicher kleiner Verbesserungen auf und erzielte dadurch ein anderes Ergebnis als alle anderen.

Alle Sportler wollen gewinnen, aber keiner verbringt seine Zeit damit, auf die Stoppuhr oder die Anzeigetafel zu starren, um zu sehen, ob das Ziel erreicht wurde. Der einzige Weg, tatsächlich zu gewinnen, besteht darin, jeden Tag besser zu werden.

Meine Erfahrung aus vielen Jahren des Coachings ist, dass für viele das eigentliche Ziel in diesem Leben darin besteht, persönliches Glück zu erlangen. In den Beratungen stellt sich heraus, dass jedes Unternehmen gute Ergebnis erzielen und an der Pole Position stehen will. Nun gibt es viele Wege, dieses Ziel zu erreichen und welcher der richtige ist, kann sich im Laufe der Zeit auch ändern. Es geht letztlich um den Weg, den Prozess, um dieses Ziel - ein Bedürfnis - zu erfüllen.

Ich meine damit nicht, dass Ziele nutzlos sind. Wir alle brauchen eine gewisse Richtung, eine Vision, die uns dabei hilft, den richtigen Weg einzuschlagen. Aber wenn wir wirklich das Bedürfnis, das wir durch das Ziel eigentlich erreichen wollen, erfüllen möchten, brauchen wir irgendein Vorgehen, an dem wir uns orientieren können.

Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einem sehr unordentlichen Zimmer. Sie bringen endlich die Energie zum Aufräumen auf und fühlen sich danach wohl. Wenn Sie aber Ihre Gewohnheiten nicht ändern, werden Sie demnächst wieder vor einem neuen Haufen Unordnung stehen und einen weiteren Motivations- und Energieschub brauchen. Wenn Sie ein Symptom behandeln, ohne davor die Ursache zu bekämpfen, ist es vergebene Liebesmüh.

Wann immer ich mir Ziele gesetzt habe, hat mich das Erreichen eines Ziels nur für einen kurzen Moment glücklich gemacht. Das ist das Widersprüchliche daran: Wir glauben, dass wir unsere Ziele ändern müssen, wenn wir sie erreicht haben, aber die Ziele sind nicht das Problem. Was wir wirklich ändern sollten, ist die Art, wie wir Ziele betrachten und wie wir sie erreichen wollen. Wenn Sie Probleme auf der Zielebene lösen, lösen Sie sie nur vorübergehend. Wenn Sie das Bedürfnis, das eigentlich hinter dem Ziel steckt, aufdecken, werden Sie das Ziel ganz nebenbei von alleine erreichen.

Die implizite Annahme hinter jedem Ziel ist nämlich diese: „Sobald ich mein Ziel erreicht habe, werde ich glücklich sein.“ Das Problem bei diesem Glaubenssatz ist, dass man das Glück ständig verschiebt. Ich habe mir geschworen, dass ich glücklich sein würde, sobald ich mein eigenes Unternehmen hätte oder wenn ich endlich diesen oder jenen Kunden gewinnen könnte.

Aber dadurch landete ich nur in einem „Entweder-Oder“-Konflikt: Entweder habe ich mein Ziel erreicht oder ich scheitere und bin enttäuscht. Die Sache ist, dass unser ganzes Leben sehr wahrscheinlich nicht derselben Reise entspricht, die wir uns zu Beginn vielleicht gedacht haben. Wir müssen Umwege gehen, Ziele anpassen, neue Wege finden, um zu der Person zu werden, die wir wirklich sind. Daher ergibt es auch keinen Sinn, Ihre Zufriedenheit auf ein Szenario zu beschränken, wenn es doch viele verschiedene Wege zum Erfolg gibt.

Wer wirklich dauerhaft glücklich sein will, sollte aufhören nur in Zielen zu denken. Die Sorge, etwas perfekt zu machen, kann uns davon abhalten, überhaupt etwas zu tun. Es geht niemals um eine einzelne Leistung. Es geht um den Kreislauf endloser Iterationen und kontinuierlicher Verbesserung. Letztendlich ist es Ihr Engagement zu dem Prozess, der Ihren Fortschritt bestimmt.

Das bedeutet nicht, dass Ziele nutzlos sind. Was auch immer Ihr Ziel sein mag, denken Sie einfach daran, dass Ziele kurzfristig eine Richtung vorgeben und Sie sogar voranbringen können, aber am Ende kommt es darauf an, ob Sie das Bedürfnis dahinter erreicht und Ihren eigenen Weg gefunden haben.