Warum ein Leben ohne Schmerz nicht lebenswert wäre

Ich bin davon überzeugt, dass niemand gerne leidet oder einsam ist. Niemand will in ständiger Angst leben oder das Gefühl haben, alles zu verlieren. Niemand will, dass sein Herz gebrochen oder seine Liebe mit Füßen getreten wird. Diese Dinge passieren aber trotzdem manches Mal, denn sie sind Teil des Lebens.

Die meisten Menschen wollen Verletzungen und Schmerzen soweit es geht vermeiden. Aber kann eine Welt ohne Schmerz und Leid überhaupt geben? Zwar klingt die Idee des andauernden Glücks verlockend, aber in Wahrheit wäre es ein furchtbares Leben. Glück ist nur dann erlebbar, wenn Sie bereits Schmerz erfahren mussten. Ohne den Vergleich mit Unglück gäbe es keinen Grund dankbar für das, was passiert, zu sein. Das heißt, ohne jemals Traurigkeit oder Schmerz zu kennen, hätten Sie keinen Grund, für Glück dankbar zu sein.

Ohne das Gefühl des Schmerzes wären sich die Menschen gefährlicher Situationen nicht bewusst. Die Tatsache, dass das Leben Schmerz bedeutet, ist letztendlich eine gute Sache. Denn es geht im Leben letztlich darum, auf das Unvollkommene, das Unperfekte zu reagieren. Aber immer nur im Bewusstsein, dass Sie sich dennoch nie davon lösen können, in erster Linie ein Mensch zu sein.

Egal, wen Sie fragen oder wohin Sie blicken: Sie werden niemals ein Leben sehen, dass perfekt ist. In dem es keine Sorgen, keine Probleme, keine Ängste, keine Kämpfe gibt. Viele glauben, dass jedes Gefühl oder jede Erfahrung, die nicht positiv ist, etwas ist, dass sie vermeiden müssten. Dass jedes unangenehme Gefühl irgendwie weggewischt werden kann und dadurch nie wieder erlebt werden muss. Nun leben wir aber nicht, um das Unperfekte, das Unangenehme, irgendwie loszuwerden. Es geht nicht darum, Dinge in Ihrem Leben zu entdecken, die Sie korrigieren müssen. Traurige, schmerzvolle oder stressige Erlebnisse und unangenehme Begegnungen sind nun mal Teil des Lebens. Nicht immer bedeuten sie, dass Sie vor einer Blockade stehen, die Sie nur lösen müssen und das Abenteuer Leben kann munter weitergehen. Solche Erfahrungen sind manches Mal einfach nur Teil der menschlichen Erfahrung.

Im Leben geht es darum, den für Sie idealen Weg zu Ihrem persönlichen Glück zu finden. Der Weg dorthin führt über die Fähigkeit, dass Sie lernen sich vollständig und frei zu fühlen – und zu wissen, dass keine einzelne emotionale Erfahrung für immer festgelegt ist, sondern dass auch diese sich ändern kann.

Es gibt keinen Weg zur Vollkommenheit. Es geht im Leben darum zu erkennen, wer und wie Sie sind. Und genau das so akzeptieren und innig lieben, wie Sie nur können. Es geht nicht darum, sich von Menschen zu distanzieren, die in Ihnen Frust oder Ärger auslösen, sondern es geht darum, genau diesen Frust und Ihre Bedürfnisse zu artikulieren – bevor Sie sich isolieren. Es geht darum zu akzeptieren, dass Spannungen und Probleme ein ganz natürlicher Teil menschlicher Beziehungen sind. Und jeder von uns kann lernen, besser damit umzugehen.

Manche Menschen hoffen, dass Sie eines Tages den Ort erreichen, an dem sie keine Sorgen oder keine Schmerzen mehr haben. Aber selbst wenn es diesen Ort gäbe und Sie ihn wirklich erreichen würden, würde Ihnen etwas Wichtiges fehlen. Denn Sie hätten dann nie die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, zu scheitern, zu erleben, zu erfahren, auszuprobieren, herausgefordert zu werden und zu wachsen.

Es geht beim Menschsein nicht darum, alles Unvollkommene irgendwie schnell zu beseitigen, sondern dem Unvollkommenen mit Liebe und Verständnis zu begegnen. Sie müssen sich nicht selbst von Ihren Unzulänglichkeiten befreien. Wenn Sie sich immer selbst korrigieren, weil Sie glauben, dass Sie sich so zu etwas Besserem entwickeln können, dann werden Sie nie genug sein. Sie werden sich ständig an andere Bedingungen ketten und letztlich nie frei sein können.

Zum Leben gehört Schmerz dazu. Jeder bekommt mal eine Absage oder eine schlechte Bewertung. Es wird immer Menschen geben, die mit Ihrer Arbeit oder Ihrem Aussehen unzufrieden sind. Es wird immer Menschen geben, die ihre eigenen Probleme auf Sie projizieren. Es wird immer wirklich miese Tage geben, die manches Mal ihren Grund haben und manches Mal einfach so passieren. Es wird immer Zeiten geben, in denen Sie aus vollem Herzen weinen werden. Es wird Zeiten geben, an denen Sie grundlos herumlaufen, um eine quälende Stimmung loszuwerden, die nicht mal eine erkennbare Quelle hat. Es wird immer Menschen geben, die Sie in den gefühlten Wahnsinn treiben. Es wird immer Momente der Angst, des Schmerzes, der Nervosität und der Enttäuschung geben.

Aber Sie müssen keinem dieser Erlebnisse und Erfahrungen die Erlaubnis geben, dass es Sie definiert oder Ihnen einen Wert zu- oder abspricht. Es ist nur das wahr, was Sie für wahr halten.

Wenn Sie eine Absage bekommen oder Sie jemand negativ bewertet, wird es auch immer Menschen geben, die Sie bestätigen und die Ihnen positive Worte schenken. Auf Menschen, die Ihnen Ihr Leben schwer machen, folgen Menschen, die Ihr Leben auf wundervolle Weise bereichern. Auf jede Person, die ihre Probleme auf Sie projiziert, kommt eine andere Person, die Sie beim Wachstum unterstützt. Selbst die unangenehmsten Gefühle werden verschwinden und die dramatischsten Krisen werden mit der Zeit ihren Schrecken verlieren. Sie werden sich nicht an die Stunden erinnern, die Sie weinend im Bett verbracht haben, sondern an die Lektionen, die Sie gelernt haben. Woran Sie sich erinnern werden, ist das, was Sie gesehen, erlebt und gefühlt haben. Woran Sie sich erinnern werden, wird mit Dankbarkeit verbunden sein.